Zugspitz Ultratrail - meine sportliche Herausforderung

von Patrick Kolei Kommentare Trailrunning

Bereits wieder einen Tag früher reiste ich nach Grainau. Den Plan zur Übernachtung auf dem Campingplatz hatte ich aber bereits auf der Fahrt überworfen, denn bereits auf der Autobahn kübelte es wie aus Eimern. Das hätte mein Zelt wohl niemals über das komplette Wochenende überstanden. Auch meine Freundin Romy war glücklich über diese Entscheidung. Wir hatten dann auch etwas Glück und fanden in der selben Unterkunft wie im letzten Jahr ein kleines Doppelzimmer. Dort war es warm und trocken, was dieses Mal nicht nur vor dem Lauf für mich sehr wichtig war. Letztes Jahr hatte ich bei der Pastaparty meine ersten Trailrunner(innen) kennen gelernt, dieses Jahr war auch wieder eine Vielzahl von bekannten Twitterern versammelt. Der Twitterlauftreff war vertreten durch Sarah, Maty, Romy, Ulf, Daniel, Chris, Sebastian, Bert, Sascha, Stephan & Sonny (bitte melden, sollte ich jemanden vergessen haben ;-)). Es waren wohl noch mehr dort, die ich an diesem Abend aber leider nicht mehr gesehen habe. Im Briefing wurde auf Gefahren der Strecke aufmerksam gemacht, Details des Pflichtequipment erläutert und eine Alternativroute bei schlechtem Wetter vorgestellt. Kurz danach waren wir, wie viele andere Läufer ebenfalls, allerdings auch schon im Bett verschwunden. Zum miesen Wetter werde ich in meinem Bericht nicht mehr viel schreiben. So viele Berichte habe ich in den letzten Tagen gelesen, welche immer und immer wieder das Wetter in den Vordergrund gestellt haben. Ich hatte trainiert und stand an der Startlinie, alleine das zählte für mich. Jetzt kam es auf den Kopf und die eigene Leistung an!

Start - Grainau 744 m

Grainau, Samstag, 20.06.2015 um 07:15 Uhr. Bereits eine Stunde vor dem Startschuss waren die meisten Trailrunner im Zelt versammelt, denn das war an diesem Morgen, neben der Unterkunft, wohl der trockenste Ort bevor es auf die Strecke gehen sollte. Dort war ich mit Bert verabredet, welcher sich als Begleitung für die ersten Kilometer angeboten hatte. Wir wussten allerdings beide, dass gerade bei einem Ultra der eigene Rhythmus sehr wichtig ist. Daher wollten wir eine Weile zusammen bleiben, schauen wir jeder ins Rennen kommt und uns dann ggf. trennen oder zusammen bleiben.

5, 4, 3, 2, 1 … plötzlich ging es unter großem Applaus los, es gab kein Zurück mehr, wir waren unterwegs. Mein Streckensupport bestand heute aus Romy & Rosi, welche mit dem MTB entlang der Strecke fuhren und an diesem Tag selber wohl mehr als 80 km im Regen absolvieren sollten … Dafür mal wieder ein fettes Dankeschön! Ein Tag in der Sauna wäre uns drei wohl lieber gewesen ;-)

V1 – Elbenseealm 1016 m

Bereits nach 10,5 km und 516 Hm kamen wir zur ersten Versorgungsstelle. An diesem Tage hatte ich mir einen genauen Plan der Versorgung, gerade der Eigenversorgung, zurecht gelegt. Ich wusste um die enorme Distanz und ich wollte frühzeitig den Grundstein gegen Krämpfe und Ermüdung legen. Gels, Magnesium und Salztabletten waren daher an diesem Tag wichtig. Auch wenn wir nach dieser Distanz noch keine Mängel hatten, nahmen wir bereits hier viel Nahrung und Flüssigkeit auf und füllten alle Behälter. Bert stellte mich auf den ersten Kilometern sehr gut auf das komplette Rennen ein. Ich war sehr dankbar für jeden Tipp, welchen ich von diesem erfahrenem Läufer ergattern konnte. Durch die ständigen Gespräche hatte ich zudem auch keine Zeit irgendwelche Zweifel aufkommen zu lassen. Ich versuchte meinen Spaß am Laufen zu finden.

V2 – Gamsalm 1242 m

20,1 km und 1370 Hm waren absolviert, die Beine locker und noch nicht wirklich belastet. Dennoch merkt man auch bereits nach 20 km die Anstrengung der Höhenmeter. Wir kontrollierten immer wieder unseren Standort auf dem Streckenprofil und wollten gerade am Anfang Kraft und Kondition sparen um hinten raus noch über genug Reserven zu verfügen. Die heftigen Abschnitte sollten erst noch anstehen. Meine Gedanken waren aber an diesem Tag fokussiert und auch wenn ich zwischenzeitlich kleinere Zweifel zu überstehen hatte, aufgeben war natürlich wie immer keine Option. Wir blieben noch zusammen, aber man merkte bereits, dass zwischen uns öfters mal Lücke entstanden. Nach ca. 25 km lies ich Bert ziehen und wünschte ihm eine perfektes Rennen. Ich wollte zu diesem Zeitpunkt nicht überpacen und auch niemanden auf meine Tempo bremsen. So hatten wir es bereits abgesprochen.

V3 – Pestkapelle 1617 m

Bei Verpflegungsstelle 3 angekommen, erfuhr ich das erste Mal von der nun doch gesetzten Alternativroute. Die Mitarbeiter von PlanB erzählten uns vom extremen Schneefall auf dem Feldernjöchl, dieser wurde daher aus Sicherheitsgründen gestrichen. Anstatt eines anstrengenden Aufstiegs auf 2045 m ging es daher wieder abwärts. Für die Beine wieder eine andere Belastung, aber 30 Kilometer waren nun bereits absolviert und das machte sich jetzt auch in den Muskeln bemerkbar. Zwischen V3 und V4 kamen mich dann auch Romy & Rosi wieder an der Strecke besuchen. Sie stürtzten durchnässt aus einer Hütte, in der sie sich erstmal kräftig aufgewärmt hatten. Diese Zeit hatte ich natürlich nicht, weiter ging es!

V4 – Hämmermoosalm 1417 m

Die Downhill-Strecke war gut und machte mir richtig viel Spaß. Gerade hier konnte ich meine Stärken ausspielen und etwas Zeit gut machen. Aber auch abwärts Laufen geht irgendwann mächtig auf die Oberschenkel, daher kam mir die nächste Verpflegungsstelle sehr gelegen und ich nahm mir wieder genug Zeit um alles aufzufüllen und auch etwas zu essen. Die heiße Suppe und der heiße Tee taten richtig gut und die zusätzliche Leistung die in diesem Moment durch den Körper fließt machten auf den nächsten Kilometern wieder richtig Spaß. Anschließend ging es zum höchsten Punkt der Strecke. Aufwärts, ewig lang und mit viel Schnee zum Scharnitzjoch. An diesem Punkt hatte ich wirklich ein tiefes mentales Loch. Mir war kalt, alles kribbelte und gute Laune hatte ich zu diesem Zeitpunkt ebenfalls nicht mehr. Hier war ich in dichtem Nebel teilweise über einer Stunde komplett alleine unterwegs.

V5 – Hubertushof 1085 m

Circa 56 km waren nun absolviert, etwas mehr als die Hälfte. Die Überquerung der Scharnitzjoch war heftig und anstrengend, vor allem aber sehr sehr kalt. Auch die Sicht war extrem schlecht, ich war froh als ich wieder ein paar Höhenmeter abwärts hinter mich gebracht hatte und die Strecke besser wurde. Viele Trailrunner nutzten diese Gelegenheit um die Klamotten zu wechseln und sich wieder etwas zu trocknen. Ich nahm lediglich wieder ordentlich Flüssigkeit und Nahrung zu mir und entfernte ca. 10 kg Dreck und Schlamm aus meinen Schuhen. Kurz bevor es für mich weiter ging, überraschten mich wieder Romy & Rosi, welche mich schon eine zeit lang gesucht hatten. Unglaublich toll ein paar bekannte Gesichter zu sehen. Ein motivierender Kuss und auch ein paar Meter an meiner Seite gaben mir wieder neuen Mut und Motivation das Rennen als weiter zu führen. Es warteten aber noch so viele Kilometer auf mich … ich versuchte wieder meine Gedanken zu sortieren. Einen Schritt nach dem anderen zu machen und von Verpflegungsstelle zu Verpflegungsstelle zu denken. Es konnte noch so viel passieren, die Konzentration war nun sehr wichtig.

V6 – Schützenhaus Mittenwald 930 m

Ein eher eintöniger Abschnitt war absolviert. Etwas Uphill, etwas Downhill. Die meiste Zeit ging es aber recht flach am Fluss entlang. Eine gute Gelegenheit um wieder in den eigenen Rhythmus zu kommen, etwas Tempo zu machen und ein kleines Fazit zu ziehen. Die Beine waren zu diesem Zeitpunkt noch erstaunlich frisch, doch seit einigen Kilometern spürte ich an der rechten Leiste ein leichtes ziehen. Ich versuchte meinen Laufstil etwas umzustellen und hatte direkt das Gefühl das Problem etwas in den Griff zu bekommen. Den restlichen Teil der Strecke kannte ich bereits von meinem letztjährigen Start. Ich war mir allerdings noch nicht ganz sicher, ob das nun ein Vorteil für mich werden sollte. Gerade die Alpspitze und der folgende Downhill waren damals sehr anstrengend und hart für mich. Allerdings war ich in diesem Jahr auch wesentlich besser vorbereitet und versuchte die negativen Gedanken wieder zu verdrängen.

V7 – Gasthof Ferchensee 1062 m

Ich erinnerte mich direkt an den Ferchensee, als ich wieder daran entlang lief. Im letzten Jahr hatten wir hier Sonnenschein und der See glänzte in einem tollen Licht. Dieses Jahr konzentrierte ich mich eher auf die Strecke und die unzähligen Pfützen, denn ich versuchte immer noch so lange wie möglich mit trockenen Füßen zu laufen. An vielen Abschnitten war das nahezu unmöglich, sodass man wieder 3~4 Kilometer brauchte um das Wasser aus den Schuhen zu laufen. An der Versorgungsstation gab es auch wieder leckeren Schleim, der wohl viele auch an den Rennsteig erinnerte. Dort hatte ich nach 72,7 km allerdings bereits das Ziel erreicht. Heute lagen aber noch weitere ca. 25 km vor mir. Der Schmerz in meiner Leiste wurde leider immer schlimmer. Ein Läufer hatte das mitbekommen und versorgte mich mit einer Schmerztablette. Vielen Dank!

V8 – Partnachalm 978 m

Unglaublich, auch die V8 war erreicht und als ich mich so umschaute, dann fielen mir immer mehr Läufer und Läuferinnen auf, die an ihren Grenzen angekommen waren. Dennoch liefen sie alle weiter. Mit einigen kam ich immer wieder ins Gespräch. Beim langen Aufstieg traf ich z.B. Roberto aus Jena, mit dem ich Seite an Seite einige Kilometer zusammen abspulte und durch Erzählungen verflog auch die Zeit schneller als zuvor. Allerdings war uns auch im Anstieg bereits bewusst, dass wir wohl auch nicht zusammen das restliche Rennen gemeinsam bestreiten werden. Zu diesem Zeitpunkt erfuhr ich dann auch, dass auch die Bergstation Alpsitzbahn gesperrt worden war. Auch die Basetrailer konnten diesen Teil der Strecke nicht absolvieren. Mir war dies an diesem Tag gar nicht so unrecht, denn ich hatte bereits mehr als 80 km in den Beinen und jetzt setzte im letzten Anstieg auch noch die Dunkelheit ein. Viele Lichtkegel und immer wieder Gespräche schallten durch den dunklen Wald. Sehr unheimlich, aber alle kämpften weiter!

V9 – Talstation Längenfelder 1610 m

Die letzte Verpflegungsstelle des Rennens war erreicht. Etwa 3 Stunden vor meiner persönlichen Planung hatte ich den letzten Anstieg hinter mich gebracht und hatte nun „nur“ noch den heftigen Abstieg vor mir. Circa 6 Kilometer trennten mich vom Ziel. Circa 6 Kilometer und ein Arzt von der Medical Crew. Dieser hatte mein Zittern bemerkt und bestand darauf, dass ich mich vor einem Heizstrahler etwas aufwärmte und eine weitere Suppe zu mir nahm. Gesundheit geht vor und diese Jungs sind genau für diese Sicherheit der Läufer an der Strecke. Er beobachtete mich und als ich keine Anzeichen von einer Unterkühlung mehr aufwies, lies er mich gemeinsam mit Sascha wieder auf die Strecke. Sascha hatte ich im Wärmezelt kennen gelernt und wir beide blieben beim Downhill nicht lange zusammen. Aber auch ihn traf ich später wieder im Zielbereich wieder, er konnte das Rennen also ebenfalls erfolgreich beenden. 

Ziel – Grainau 744 m

Unglaublich. Wahnsinn. Ultra FINISHER! Was ging mir die letzten Metern alles durch den Kopf. Dieses Gefühl ist einfach nicht zu beschreiben, der Moment des Zieleinlaufs besteht aus purem Glück! Wir absolvierten zwar an diesem Tag nicht die Original Strecke und nicht die vollen 100 km absolvieren, aber am Ende standen dennoch 90,9 km auf der Uhr. Nach genau 15 Stunden und 50 Minuten war ich wieder in Grainau. Der Applaus der Zuschauer und vor allem ein Kuss von meiner Freundin waren auf der Strecke oft als Bild in meinem Kopf und gaben mir Kraft weiter zu machen. Es war allerdings oft nicht einfach, einen weiteren Schritt zu machen. Dennoch tat ich es. Von Abschnitt zu Abschnitt wuchs der Stolz und am Ende hatte ich die Reserven die ich mir aufgespart hatte und konnte erfolgreich abschließen!

Für solch eine besondere Herausforderung benötigt man aber auch sehr viel Unterstützung und Rückendeckung. Diese erhalte ich immer wieder von meiner Familie, Freunden und Menschen aus der Onlinewelt. Dieses Feedback und gespendete Motivation lässt mich immer wieder an neue Herausforderungen glauben. Ich kann mich daher an dieser Stelle nur wieder ganz herzlich bei allen da draußen bedanken, die mir an diesem Tag wieder alle Daumen gedrückt haben und mich zu dieser Leistung angespornt haben. Nach 3 Tagen konnte ich übrigens auch wieder normal Laufen, sodass meine weiteren Ziele in diesem Jahr nicht in Gefahr sind ;-)

GPX-Aktivität

Eine unglaubliche Distanz. Die Details zeigen, dass auch die gekürzte Strecke eine ordentliche Herausforderung war.
Ein tolles Gefühlt beim Zugspitz Ultratrail dabei gewesen zu sein und als Finisher wieder nach Hause zu kommen.

Du möchtest diese Strecke gerne nachlaufen? Gerne! Die GPX-Datei zum herunterladen gibt es hier :-)
90,9 km
Distanz
15h 50' 00''
Zeit
4636
Anstieg
4633
Abstieg

Videos

Bei diesem Lauf habe ich dieses Mal selber kein Video gemacht, da ich mich voll auf mich und meine Herausforderung konzentriert habe.
Bert hatte allerdings seine GoPro dabei und hat ein paar Aufnahmen gemacht. Hier sein Bericht. Viel Spaß :-)

Update: Mittlerweile ich auch das offizielle Video vom ZUT 2015 veröffentlicht worden und ich bin sogar darauf zu sehen. Wer sich gerne noch ein paar Eindrücke machen möchte, hier also nun auch noch das 2. Video. Ich bin bei meinem Zieleinlauf in Grainau ab Minute 01:56 zu sehen. Freude, Jubel und Stöcke weg ;-)

Hinweis: Sollten Sie sich auf einem oder mehreren meiner Bilder erkennen und gegen diese Veröffentlichung in meinem Blog sein, so nehmen Sie doch bitte Kontakt mit mir auf, damit ich diese(s) umgehend entfernen kann.

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