Rennsteig Supermarathon - mit starker Willenskraft zum Finisher!
von Patrick Kolei Kommentare Trailrunning am Rennsteig
Den Halbmarathon in Linz und Marathon in Hamburg hatte ich erfolgreich absolviert, beide Distanzen dienten mir zur optimalen Vorbereitung des RSL. Durch die Erzählungen und einige Tipps von anderen Läufern hatte ich mir in den Wochen vor dem Start schon so meine Gedanken gemacht und mir natürlich auch eine gewisse Zielzeit gesetzt. Die Strecke konnte ich etwas abschätzen, die Höhenmeter allerdings nicht. Daher war ich hier wohl eher Optimist als Realist. Es sollte unter 7 Stunden drin sein, so jedenfalls mein persönlicher Eindruck des Trainingsverlaufes. Erfahrene Trailrunner rieten mir als "Neueinsteiger" allerdings immer wieder dazu mich auf keine Zeit festzulegen. Durchkommen, das Rennen als Finisher zu beenden und besonders die ersten 25 km bis zum Inselsberg ruhig angehen zu lassen. Hier wollte ich so viel Kraft wie möglich einsparen. Persönlich mag ich Herausforderungen, mag Ziele und setze mir auch gerne welche bei den Wettkämpfen, denn so kann ich mich selber auch immer wieder zu Bestleistungen anspornen. Solltest Du in der Planung einer solchen Strecke sein, solltest Du mit dem Gedanken spielen einen Ultra zu absolvieren, so kann auch ich heute folgenden Tipp weitergeben: Setze Dir keine Zielzeit für Deinen ersten Ultra! Meine Gedanken waren an diesem Tag nicht frei, so war es schwer in den eigenen Rhythmus zu finden. Immer der Gedanke über die Zeit, den Druck und das "Versagen" der eigenen Leistungen bremst mehr als des es gut tut. Es gab sicherlich einige an diesem Tag, die mit dem erreichen des Ziels, egal in welcher Zeit, mehr als zufrieden gewesen wären.
Anreise & Unterkunft
Der Rennsteig liegt im Thüringer Wald, die Heimat meiner Freundin. Daher hatten wir hier einige Kontakte und haben hier bei Peter, einem Freund der Familie, einen Schlafplatz ergattern können. Vielen Dank natürlich an dieser Stelle auch für die perfekte Übernachtungsgelegenheit. Eine solche in der Nähe des Veranstaltungsortes zu finden ist nicht immer einfach – und zudem auch nicht unbedingt günstig. Leider hatten wir bei der Anreise keine freie Fahrt, sodass wir für die knapp 400 km mit ein paar Staus auf der Strecke etwa 5 Stunden brauchten. Die Startunterlagen habe ich 3 Minuten vor Schließung des Rathauses aber dann doch noch abholen können. So ersparte ich mir den Stress am frühen Morgen und konnte bereits am Abend alles für den Start fertig machen.
Wettkampftag!
Alles wie immer. Am Abend und in der Nacht gehen einem sämtliche Dinge durch den Kopf, die eventuell nicht funktionieren könnten. Wo könnte man Probleme / Schmerzen bekommen? Hat man sich für die richtigen Schuhe entschieden? Sollte man den Trinkrucksack auf diese Distanz für die perfekte Verpflegung mitnehmen oder auf das zusätzliche Gewicht verzichten? Wie verkrafte Kilometer 30, 40, 50, 60 und dann noch 70? Erwische ich eine gute Tagesform? Alles unbekannte Fragen für mich, welche ich zu diesem Zeitpunkt zwar nicht beantworten, aber ständig drüber grübeln musste. Um 04:00 Uhr ging bereits mein Wecker. 2 Stunden vor dem Start möchte ich gut und gemütlich frühstücken, gar nicht mal so leicht um diese verrückte Uhrzeit. Ein Bananen-Smoothie geht bei mir immer recht gut, der Magen kann diesen gut aufnehmen und hat sich dran gewöhnt. Füße mit Melkfett eingerieben, alles angezogen, fertig für einen LongJog!
Um 05:45 Uhr war Treffpunkt am Markt in Eisenach. Dort trafen sich an diesem frühen Morgen unter anderem Gunter, Hugo, Ulf, Christian, Holger, Philipp, Thomas, Oliver & Benjamin vom #Twitterlauftreff um gemeinsam oder mit eigenen Zielen an den Start zu gehen. Ich wollte auf den ersten 5 Kilometern entscheiden ob mir das vorgeschlagene Tempo liegt, ich dran bleiben kann oder mein eigenes Rennen angehen würde. Am Ende bestand dann doch vielmehr der Wunsch nach einem gesunden Zieleinlauf und weniger um das Erreichen einer persönliche Bestzeit - womöglich noch auf biegen und brechen.
Rennzeit!
Startschuss. Plötzlich war es dann wieder soweit. Unter dem Applaus von sehr vielen Zuschauern machten sich rund 2100 Läufer und Läuferinnen auf die Strecke des Supermarathons. Immer wieder ein gewaltiges Gefühl, die Euphorie ist riesig, die Angst und das Magendrücken sind auf einen Schlag der Vorfreude gewichen, jetzt wird gelaufen. Bereits nach 5 Kilometern hatten sich die meisten von uns verloren, konnten sich auf der Strecke aber immer mal wieder treffen. Ich hatte für mich entschieden, das Tempo im Anstieg nicht mitzugehen und lies mich etwas fallen, um meinen eigenen Rhythmus zu finden. Ich wollte mich in der ersten Hälfte des Rennens nicht fertig machen, sodass ich mir die Chance auf den Zieleinlauf nicht selber dort schon genommen hätte. Ich bemerkte aber auch schnell, dass mein Kopf an diesem Tage nicht auf meiner Seite war und ich bereits die ersten 10~15 km öfters an mir und meine Leistung zweifelte. Gerade für einen Ultra nicht die besten Voraussetzungen, allerdings bin ich Stier, aufgeben gehört nicht zu meinen Eigenschaften. Meine GoPro gab ich bereits früh im Rennen an Romy ab. Ich bemerkte einfach, dass ich mich auf mich, mein Rennen und meine Stärken konzentrieren musste. Nicht auf Bilder, Videos oder sonstiges Gebaumel an meinem Rucksack. Kilometer um Kilometer fand besser ins Rennen und versuchte gerade die Anstiege locker und ohne Druck zu bewältigen. Meiner Timeline, für Freunde und Bekannte zu Hause an den Bildschirmen, hinterließ ich alle 10 km einen kleinen Text mit meinen Lauf- und Gefühlszustand auf Twitter.
Bis KM 40 war ich gut unterwegs, hatte keine Probleme mit der Luft oder Beinen. Ich wusste allerdings genau, dass jetzt das Rennen erst richtig anfangen sollte. Unterwegs hatte ich mir immer mal wieder ein paar Erfahrungen einholen können. Diese waren aber alle, wie ich auch so manches Kilometerschild, widersprüchlich. So bin ich der festen Meinung, dass KM 60 etwa 2 KM zu früh am Straßenrand stand, meine Uhr sollte hier am Ende recht behalten. So hieß es "ab Marathondistanz gibt es kaum noch Steigungen" oder "es ist und bleibt bis zum Ende hart, bleib unbedingt locker". Heute kann ich berichte, es ist bis Kilometer 71 schwer und es gibt immer und immer mal wieder Steigungen, welche am Ende dann natürlich auch richtig in die Beine gehen. Ich erinnere mich, dass ich Romy bei KM 54 noch mal an der Strecke traf und sie hier ziemlich emotional voll geblubbert habe, hier dachte ich wohl auch für ein paar Milisekunden über einen Ausstieg nach, bis eben der Stier in mir wieder rebellierte und ich weiter lief. "Niemals aufgeben", "Weiter, immer weiter", die Slogans des FC Bayern München bei den letzten schweren Spielen, gingen mir auch an diesem Tag durch den Kopf und trieben mich weiter voran. Einen Schritt nach dem anderen, eben vorbei an den Schildern 50, 60, 65, 66, 67, 68, 69 … AUA … 70, 71, 72 …
Supermarathon FINISHER!
72,7 km erfolgreich absolviert. Die wohl größte Erleichterung und eines der besten Laufgefühle ist und bleibt der Zieleinlauf unter dem Applaus von vielen begeisterten Zuschauern. Ich glaube auch, diese unterscheiden nicht zwischen dem 1. Platzierten und dem letzten Platz. Alleine das Erreichen des Ziels ist für den Läufer ein Traum und für einige Zuschauern unerreichbar. Das wird ordentlich honoriert. Auch in Schmiedefeld standen hunderte von begeisterten Bekannten und Familienangehöriger der Läufer und Läuferinnen am roten Teppich.
Meine Uhr zeigte mir eine Zielzeit von 07h 44´ 54´´ an. Nicht meine gewünschte Zielzeit, aber wisst ihr was einem nach dem Erreichen einer solchen irren Distanz durch den Kopf geht? Ich habe es tatsächlich geschafft. Ich war keinesfalls enttäuscht. Ich war und werde in meinem Leben immer wieder stolz auf diesen Tag und meine persönliche Leistung sein. Es gibt Menschen, die schaffen diese Strecke 2 Stunden schneller. Es gibt Menschen die an diesem Tag das Ziel nicht erreicht haben. Es gibt aber auch Menschen, welche nicht den Mut oder Disziplin aufbringen können, ein solches Erlebnis im Leben einmal zu erreichen. Daher sind alle Läufer und Läuferinnen Gewinner. Alle haben sich ihre Medaille verdient und ich hoffe, alle sind genauso stolz wie ich. An diesem Tag habe ich meine persönliche Schmerzgrenze wieder ein bisschen weiter nach oben gesetzt und bin für weitere Herausforderungen bereit. Alle Entscheidungen, welche in an diesem Morgen für den Lauf getroffen hatte, waren richtig. Ich habe mich für den Laufschuh von Saucony Kinvara 5 entschieden, habe meinen Trinkrucksack mit auf diese lange Strecke genommen und habe mich wenige Kilometer nach dem Start auf mein Rennen konzentriert.
Mein Streckensupport
Wie bereits erwähnt war Romy auch beim Rennsteig wieder sehr aktiv mit an der Strecke. Motivierte mich, machte tolle Bilder und packte auch mal die Peitsche aus, um mich vor einem Ausstieg zu bewahren. Sie schaffte es, trotz aller Absperrungen und Hindernisse, mich 8!!! Mal an der Strecke anzufeuern. Das war ein richtiges Highlight, zu wissen das gleich wieder eine Motivationsspritze auf mich wartet und mich weiter antreibt meinen inneren Schweinehund, welcher mich an diesem Tage mehr als die Strecke herausforderte, zu besiegen.
Auch Carsten war mit den der Strecke. Eigentlich wollte er an diesem Tage selber auf der Strecke sein, selber seine Leistung abrufen und als Finisher den Tag beenden. Durch Krankheit und Trainingsrückstand entschied er sich aber gegen einen Start, was für mich persönlich eine richtige und vor allem auch vernünftige Entscheidung war. Das war für ihn sicherlich direkt an der Wettkampfstrecke nicht so einfach, aber er machte viele Bilder und twitterte unseren Laufstatus. Vielen Dank auch an Dich! Deine Anmeldung für nächstes Jahr ist sicher. Ich drücke Dir alle Daumen, dass Du Dein Ziel erreichst und gesund und gut vorbereitet an den Start gehen kannst.
Bildermomente
Hinweis: Sollten Sie sich auf einem oder mehreren meiner Bilder erkennen und gegen diese Veröffentlichung in meinem Blog sein, so nehmen Sie doch bitte Kontakt mit mir auf, damit ich diese(s) umgehend entfernen kann.
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